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- Pflegeformen -

Jeder Pflegefall ist individuell - darauf hatte ich schon hingewiesen. Es gilt, für jeden Fall die beste Betreuungsmöglichkeit zu finden. Das ist nicht einfach; die Betreuenden wollen ja nicht falsch entscheiden. Grundsätzlich will (und soll) man den Pflegebedürftigen in seinem Haushalt und in seiner gewohnten privaten Atmosphäre belassen. Neben der direkten persönlichen Betreuung durch Angehörige gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die der Entlastung oder einer umfassenderen Pflegebetreuung dienen können.
Ich habe in dieser Hinsicht keine Erfahrungen machen können, machen müssen. Und habe deshalb hierzu auch keine Tipps für Sie. Aber ich will kurz beschreiben, was es für Möglichkeiten gibt:

  1. Ambulante Pflegedienste
  2. Teilstationäre Pflege
  3. Kurzzeitpflege - Tagespflege, Nachtpflege
  4. Soziale Hilfsdienste
  5. Hausnotrufdienst
  6. Haushaltshilfen (ggf. aus Osteuropa)
  7. Ambulante Wohngemeinschaften
  8. Stationäre Hausgemeinschaften
  9. Betreutes Wohnen


Das Angebot dazu ist unübersichtlich und die Qualität nicht ohne weiteres feststellbar. Es gibt aber viele Beratungsstellen, speziell in den Großstädten, sowie Verbände, die spezialisiert sind. Auch die Krankenkassen informieren.

Bei der häuslichen Pflege können Sie zwischen Geldleistung oder Sachleistung (das würde die o.g. Dienste betreffen) wählen. Sachleistungen sind allerdings zweckgebunden. Auch eine Kombinationsleistung ist möglich.

Das müssen Sie entscheiden. Seien Sie sich aber im klaren: Die Pflegekasse zahlt nur Pauschalbeträge. Ein Pflegedienst berechnet die Vergütung für jede Handhabung. Dazu wurde gem. SGB XI § 90 eine Gebührenordnung erlassen. Nach Feststellung, was notwendig ist, ergibt sich daraus die Endsumme. Und Sie stehen vor der Frage: Wie viel davon übernimmt die Pflegekasse, was bleibt für Sie zu zahlen ? Es kann teuer werden.

Ambulante Pflegedienste arbeiten im Minutentakt. Hilfsbereitschaft und freundliche Worte können vorausgesetzt werden, denn wer diesen Beruf ergreift, weiß um seine menschliche Aufgabe. Aber ambulante Pflegedienste sind immer in Zeitnot. Hinzu kommt auch bei ihnen schlechte Bezahlung. Für Zuspruch, Anteilnahme in Gesprächen, Erfüllung besonderer Wünsche der Betreuten ist in der Gebührenordnung keine Zeit vorgesehen.

Der Gutachter des MDK, so steht in den Richtlinien (D 5.4), hat sich u.a. zu orientieren an der Situation des Pflegebedürftigenam sozialen Umfeld. und Festgestellte Defizite in der häuslichen Pflege, auch bei professioneller Pflege, hat er darzustellen. Aber das Defizit Psychosoziale Betreuung findet im ganzen System nicht statt.

Hinzu kommt bei jeder ambulanten Betreuung zusätzlicher Zeitverlust durch bürokratische Auflagen. So wichtig eine Pflegedokumentation ist, sowohl über die Hilfebedürfnisse, als auch über die erbrachten Leistungen, so geht erhebliche Zeit damit verloren, die als Kommunikation mit dem Betreuten wichtig wäre. Die menschliche Seite des Pflegeberufs bleibt auf der Strecke. Das hat Auswirkungen: Schon jetzt fehlt es an Personal.

Dr. Stefan Loos, Projektleiter Gesundheitspolitik beim Institut für Gesundheits- und Sozialforschung in Berlin, stellt fest:

Die Pflegedienste leiden unter dem hohen Wettbewerbsdruck und der schlechten Finanzierung. Das wirkt sich unmittelbar auf die Pflegequalität und die Motivation der Beschäftigten aus. Gerade in der ambulanten Pflege sind die Mitarbeiter sehr belastet, viele geben den Beruf vorzeitig auf.
(Zitiert aus “Apotheken-Umschau”, 15. Februar 2009 - auch die folgende Schilderung.)

Eine Altenpflegerin, die während einer Schicht acht Patienten an unterschiedlichen Orten in vielfach veränderten Pflegenotwendigkeiten zu betreuen hat, erklärt ihre Situation. Sie habe täglich mit Krankheit, Alter und Tod zu tun. Nicht immer kann sie abschalten. Am meisten beschäftigen sie die Pflegebedürftigen, die keine Angehörigen haben und auf sich allein gestellt sind.

Als Angehöriger oder ehrenamtliche Pflegeperson können Sie gem. SGB XI § 45 Schulungskurse unentgeltlich von der Pflegekasse erhalten, um soziales Engagement im Bereich der Pflege zu fördern und zu stärken, Pflege und Betreuung zu erleichtern und zu verbessern sowie pflegebedingte körperliche und seelische Belastung zu mindern, ... Die Schulung soll auch in der häuslichen Umgebung des Pflegebedürftigen stattfinden.

In dieser Beziehung hatte ich ein Angebot der Pflegekasse angenommen. Es hieß “Lösungsorientierte Familienberatung pflegender Angehöriger von dementiell erkrankten Menschen gem. SGB XI § 45.”

Die Kosten, die die Pflegekasse übernahm: 2 Stunden - 80 €. Das mag für die Beratung eine vereinbarte angemessene Vergütung sein. Es stellt sich aber die Frage:

Erhalten eine solche Beratung auch die examinierten Fachkräfte, die, angestellt bei einem ambulanten Pflegedienst, im Laufe einer Stresstätigkeit pro Schicht an vier unterschiedlichen Orten vier unterschiedlich demenzkranke Pflegebedürftige versorgen und betreuen und oftmals für diese die einzige Bezugsperson sind ?

Meine Erfahrung: Die Beratung war gut und informativ, sowohl für meine Frau, als auch für mich. Doch schon nach wenigen Monaten wäre durch Veränderung der Pflegesituation eine neue Beratung notwendig gewesen.

Solange ich meine Frau als Pflegefall betreute, war der Alltag so ausgefüllt, dass ich weder Zeit noch Bereitschaft aufwenden konnte, darüber nachzudenken, auf welche Weise ich Entlastung finden könnte.

Jetzt interessieren mich mitunter Angebote wie zum Beispiel dieses: Umsorgt sein heißt: Mehr Lebensqualität für ein unabhängiges Leben zuhause bis ins hohe Alter. Wir betreuen aktiv, beraten und unterstützen Sie individuell dort, wo Sie Hilfe benötigen, abgestimmt auf Ihre Bedürfnisse.

 Ich will derartige Angebote keinesfalls herabwürdigen, sondern finde sie gut und begrüßenswert. Auch will ich nicht daran zweifeln, dass ehrliche und hilfsbereite Unterstützung geleistet wird. Doch ist die “Betreuung mit Herz” ja keine ehrenamtliche Leistung, sondern kostet Geld (Preise und Termine auf Anfrage). Anders geht es gar nicht, denn jede Arbeit bedarf der Bezahlung, und wer sie leistet, will davon leben können.

Und Achtung: Bei Betreutem Wohnen müssen Sie die Kosten genau prüfen, denn diese staffeln sich oftmals in Grundmiete, Reinigungs- und Servicedienste sowie Betreuungsleistungen, die von Fall zu Fall unterschiedlich (und auch unterschiedlich teuer) sein können.

So erheben sich also für alle, die derartige Angebote annehmen möchten, zwei Fragen:

1. Können wir uns dies finanziell leisten ?
2. Können wir es auf Dauer durchhalten ?


Das “auf Dauer” ist wichtig, denn nur mal “ein bisschen” und zeitlich begrenzt nutzt nichts ! An den Kosten dürfte vieles scheitern, was zur Entlastung dienen könnte.
Das Statistische Bundesamt veröffentlichte die Pflegestatistik 2007:

Von 2,25 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland werden 68 % zu Hause versorgt - 1 Million davon ausschließlich von Angehörigen, 504 000 von ambulanten Pflegediensten. (Gem. Apotheken-Umschau 15. Februar 2009).

Wenigstens ansatzweise müsste es die Position eines Sozialhelfers oder einer Art Gesellschafterin für die kommunikative Betreuung geben. Zuviel verlangt ? Nein !

Es steht im Gesetz (SGB XI § 2 Abs. 1) (Hervorhebungen durch mich): Die Leistungen der Pflegeversicherungen sollen den Pflegebedürftigen helfen, "trotz ihres Hilfebedarfs" ein möglichst selbständiges und selbstbestimmtes Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht. Die Hilfen sind darauf auszurichten, die "körperlichen, geistigen und seelischen Kräfte der Pflegebedürftigen wiederzugewinnen oder zu erhalten".

Und im Abs. 2 heißt es u.a.: Den Wünschen der Pflegebedürftigen ... zur Gestaltung der Hilfe soll, soweit sie angemessen sind, im Rahmen des Leistungsrechts entsprochen werden.

Wird das getan ? Nein ! Während sonst alles penibel, ja sogar kleinlich behandelt wird, findet diese grundsätzliche Gesetzesverordnung keine Beachtung !

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Anmerken will ich noch, dass leider ein großes Problem “Pflegebedürftige Kinder” besteht. Dazu gibt es spezielle Bestimmungen im Sozialgesetzbuch XI und in den Richtlinien des MDS. Ich vermag zu dieser Thematik nichts auszusagen, verweise aber darauf, dass gerade für dieses Gebiet viele Sozial- und Wohlfahrtsverbände sowie Hilfsorganisationen Unterstützung bieten und zum Teil auch organisieren.
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