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- Krankenfahrten / Fahrkosten -

Dies ist ein Thema, auf das ich Ihre Aufmerksamkeit besonders richten möchte, da es erheblich ins Geld gehen kann. Seit dem 1.1.2004 fallen ambulante Krankenfahrten grundsätzlich nicht mehr in die Leistungspflicht der Krankenkassen. Das gilt auch für Taxifahrten.
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Aufpassen : Das kann sehr teuer werden

Bei medizinischen Fahrdienstunternehmen müssen Sie bei Krankentransporten eine Kostenübernahmeerklärung unterschreiben, in der es heißt: Wir weisen Sie deshalb ausdrücklich darauf hin, dass Sie im Falle einer Kostenübernahmeverweigerung bzw. fehlender Genehmigung Ihrer Krankenkasse für die anfallenden Transportkosten im Ganzen aufkommen müssen. Dies ist auch ein Sachverhalt, von dem man als Betreuer eines Pflegebedürftigen keine Ahnung hat. Erst im plötzlich auftretenden Akutfall wird man damit konfrontiert.
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Ein Beispiel : Eine Fahrt kostet 99,20 €

Wieder will ich diese Sache an einem persönlichen Beispiel darlegen. Meine Frau litt unter Augenbeschwerden. Plötzlich traten starke Schmerzen auf - ein Glaukomfall stellte der zu Hilfe gerufene Notarzt fest. Zur Behandlung beim Augenarzt - ganz in der Nähe - wurde ein Krankentransport bestellt, da meine Frau nicht gehfähig war. Ich erhielt dafür eine Rechnung, die mich erschreckte: 99,20 €. Hätte sich meine Krankenkasse stur gestellt, hätte ich die Kosten tragen müssen. Sie war allerdings so stur nicht gewesen, wie sich herausstellte.
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Fahrten unbedingt im Voraus anmelden

Im Prinzip kann die Krankenkasse im Einzelfall eine Genehmigung für Krankenfahrten im Voraus erteilen und übernimmt dann auch die Fahrkosten, für die vom Versicherten nur eine Zuzahlung zu leisten ist. Also Krankenfahrten im Voraus bei der Krankenkasse anmelden, bzw. im Akutfall sich vom Notarzt oder vom behandelnden Arzt die Notfallsituation bestätigen lassen. (In den Arztpraxen gibt es das Formular “Verordnung einer Krankenbeförderung”.)

In meiner Angelegenheit ergab sich etwas, was ich nicht wusste. Die Genehmigung gibt es grundsätzlich bei dauerhafter Mobilitätseinschränkung: bei Schwerbehindertenausweis mit den Merkzeichen aG (außergewöhnlich gehbehindert), Bi (blind), H (hilflos) sowie bei den Pflegestufen II und III.

Je nach der Praxis, die bei den Fahrdiensten üblich ist
, erhalten Sie die Rechnung, begleichen sie und reichen sie dann der Krankenkasse ein, oder die Rechnung wird gleich der Krankenkasse übersandt.

In jedem Fall haben Sie die gesetzliche Zuzahlung zu leisten in Höhe von 10% der Kosten je einfache Fahrt, mindestens 5 € je einfache Fahrt, höchstens 10 € je einfache Fahrt. Hin und zurück kann es also das Doppelte kosten. Entgegen den sonstigen gesetzlichen Regelungen sind bei Fahrkosten auch für Kinder unter 18 Jahren Zuzahlungen zu leisten.

So weit, so schlecht, aber man muß es akzeptieren.
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Eine Fahrt könnte sogar € 443,55” kosten

Dann aber trat ein Fall ein, der mich völlig verblüffte. Meine Frau war in der Wohnung gestürzt. Durch einen Schwächeanfall knickten ihr die Beine weg, und sie schlug mit dem Hinterkopf auf eine Stuhlkante. Die Folge war eine Platzwunde, die blutete. Mit Papiertaschentüchern stillte ich die Blutung und befestigte - da die Haare ein Pflaster nicht zuließen - mit Hilfe eines Stirnbandes ein Papiertaschentuch über der Wunde. Ich rief beim Hausarzt an und bat um einen Besuch, um die Wunde zu besehen und zu desinfizieren.

Die Praxis sei übervoll, sagte die Sprechstundenhilfe, der Doktor könne vorerst nicht kommen, und überhaupt sei es besser, die Wunde in der Praxis zu behandeln. Sie würde einen Krankenwagen bestellen, der meine Frau direkt zum Arzt brächte.

Gesagt, getan. Entfernung etwa 2 Kilometer, Fahrtdauer ca. 5 Minuten. In dieser Zeit schaffte es ein Sanitäter im Wagen, meiner Frau einen dicken Kopfverband anzulegen - den der Arzt in der Praxis gleich wieder abmachen mußte. Für die Rückfahrt wieder einen Krankentransport bestellt, diesmal ohne Sanitäter. Dazu hatte ich eine Zuzahlung von 5,57 € zu leisten, doch die Krankenkasse vermerkte, sie habe unsere “Gesamtkosten in Höhe von 55,68 €” übernommen.
Nun ja, immerhin wusste ich inzwischen, was derartige einfache Fahrten kosten. Dann bekam ich die Rechnung für die Hinfahrt zum Arzt: 10 € Zuzahlung - “Die Krankenkasse übernahm Ihre Gesamtkosten in Höhe von € 443,55”.
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"Niemand" hat sich geirrt, es ist einfach so !!

Wer hat sich denn da geirrt, dachte ich, und wies die Krankenkasse darauf hin. Was mußte ich mir sagen lassen ?

Es sei korrekt, wurde mir erklärt. Bei Inanspruchnahme eines “Rettungswagens” mit “Rettungsfachpersonal” sei dies ein mit den Fahrdienstgemeinschaften von den Krankenkassen ausgehandelter Pauschalbetrag, mit dem grundsätzlich alle Aufwands- und Bereitstellungskosten abgedeckt seien. Der Preis würde auch längere Fahrten betreffen. (Es heißt aber: Ab dem 6. Kilometer zuzüglich 1,35 € pro Kilometer.)
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Man muß dieses System auch nicht verstehen

Diese Handhabung der Kosten ist mir noch immer unbegreiflich. Ähnlich wird es auch auf anderen Gebieten der Gesundheitspolitik sein. Es lässt deutlich werden, warum die Krankenkassen ständig klagen, dass sie mit dem Geld nicht auskommen.

Natürlich ist einzusehen, dass die notwendige Bereitschaft von Ärzten, Sanitätern und ausgebildetem Fachpersonal erheb-liche Kosten verursacht. Mein Extremfall - Fahrweg 2 Kilometer, Fahrzeit 5 Minuten, Stadtbus-Kurzstrecke 1,40 €; demgegenüber Krankentransport 443,55 € - lässt erkennen, dass dabei irgendetwas nicht stimmt. Mir wurde auch klar, warum der Sanitäter im Krankenwagen meiner Frau einen perfekten, dicken Kopfverband anlegte - er mußte sich ja sein Geld verdienen.

Auch jedes Taxiunternehmen hat seine Aufwands- und Grundkosten und kann dennoch nicht einen festen Pauschalpreis verlangen, gleichgültig, ob die Fahrt lang oder kurz ist.

Und die Eisenbahn ? Sie muß erheblich größere Grundvoraussetzungen vorhalten als ein ärztlicher Notfalldienst und berechnet dennoch sie Fahrpreise nach Entfernungen. Wie weit könnte man, inklusive Fachpersonal im Zug, auf den Strecken und den Bahnhöfen, für 443,55 € fahren !
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Alles nach Gesetz und Verordnung

Die Anfrage bei der Krankenkasse über die von mir als exorbitant hoch eingeschätzten Kosten für die kurze Einsatzfahrt brachte die Antwort, dass es sich um eine “Mischkalkulation” handele, die gesetzlich vorgegeben sei und gegen die die Krankenkassen keine allzu großen Einflussmöglichkeiten hätten.

In der Tat besagt Sozialgesetzbuch V § 133 Abs. 1:

Soweit die Entgelte für die Inanspruchnahme von Leistungen des Rettungsdienstes und anderer Krankentransporte nicht durch landesrechtliche oder kommunalrechtliche Bestimmungen festgelegt werden, schließen die Krankenkassen oder ihre Landesverbände Verträge über die Vergütung dieser Leistungen ... mit dafür geeigneten Einrichtungen oder Unternehmen. ... Die vereinbarten Preise sind Höchstpreise. Die Preisvereinbarungen haben sich an möglichst preisgünstigen Versorgungsmöglichkeiten auszurichten. -

Ich erlaube mir die Anmerkung, diese hohen Kosten einer “Mischkalkulation” lt. Gesetz stehen in gar keinem Verhältnis zu den Bereitstellungskosten und den Dienstleistungen in einem Pflegeheim !

Nun stellen Sie sich vor, Sie müssten die Rechnung selbst begleichen
, weil Sie die Krankenkasse nicht im Voraus um Genehmigung ersucht haben oder diese grundsätzlich erteilt ist. Ich will betonen, eine seriöse Krankenkasse würde sich im medizinisch notwendigen Fall nicht weigern, die Kosten zu übernehmen.

Aber das Problem beginnt schon bei der Sprechstundenhilfe, die von einem Unfall hört und einen Rettungswagen bestellt statt eines Krankentransports. Weiß sie, was sie für Kosten verursacht ? Wahrscheinlich nicht, es sagt ihr ja auch keiner. Hier wären die Krankenkassen gefordert, Aufklärungsarbeit zu leisten, damit auch die Ärzte und ihr Personal sich kostenbewusst verhalten.

Während des Aufenthalts meiner Frau im Pflegeheim
kamen derartige Fahrten mit Kosten von 443,55 € noch mehrmals vor - für die einfache Fahrt (!) - zu Krankenhäusern, Untersuchungen, Behandlungen. Niemals waren es mehr als 4 - 5 Kilometer.

Wenn Ärzte wenigstens annähernd entsprechend vergütet werden würden
für ihre Besuche und Untersuchungen bei ihren Patienten im Pflegeheim !
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Noch ein Beispiel aus meiner Erfahrung :

Noch eine Erfahrung zum Thema Krankenfahrten.

Meine Frau war wieder einmal gestürzt und hatte sich eine Kopfwunde zugezogen. Diesmal im Heim, spät abends. Da sie untersucht werden mußte, ob sich nicht vielleicht eine Gehirnerschütterung ergeben habe, wurde sie ins Krankenhaus geschickt mit einem Transportdienst. Der verantwortliche Fahrer verlangte aber im Heim die gesetzlich vorgeschriebene Gebühr von 10 €, sonst könne er die Fahrt nicht vornehmen. Die diensthabende Pflegerin zahlte die 10 € aus ihrer eigenen Tasche, wobei sie sich allerdings darauf verlassen konnte, dass ich ihr das Geld sofort zurückzahlen würde.

Ich erfuhr vom Personal, dass die Situation, 10 € zahlen zu müssen, bevor überhaupt ein Krankentransport vorgenommen würde, öfter eintrete. Nicht immer werde das eingesetzte, ganz persönlich entrichtete Geld unmittelbar zurückgezahlt, vielfach erst nach unerfreulichen Diskussionen. -

Das Verfahren: Eine Glanzleistung des staatlichen Gesundheitswesens !
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