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Der Widerstand gegen Senioren-Pflegeheime wächst ...

von Gert Redlich ab Sept. 2016 - Als junger Mensch macht man sich kaum Gedanken, warum Oma und Opa nie und nimmer - also unter keinen Umständen - ins Alters- oder Pflege-Heim wollen. Als Erwachsener denkt man dann aber öfter darüber nach, was machen wir mit Oma und Opa, wenn die irgendwann (angeblich in ferner Zukunft) doch nicht mehr können, wie sie möchten oder wollen.
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Eine Residenz ?? Werbung September 2016 aus der Wiesbadener Tageszeitung

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Ein recht dickes Taschenbuch aus 2009, in welchem die beiden Autoren die Probleme beim Namen nennen ! lesenswert !

Und da können auch noch so schöne Prospekte und Flyer über die geniale Seniorenresidenz nichts helfen, es ist eben doch nur eine geschönte (aufgehübschte) Umschreibung für das Altersheim bzw. Pflege-Heim.

Auch die wunderschönen Prospekt-Bilder des lustigen hübschen kleinen Enkelchens, welches der vermeintlich jung gebliebenen aber faltigen Oma irgend eine tolle Wahrheit ins Ohr flüstert, helfen da wenig.
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... und erst recht, wenn man mit unseriösen Preisen wirbt.

In der oben angeführten Beilage wird zudem noch mit einem Start- oder Einstiegspreis von (ab) 1.306 Euro pro Monat geworben, der - vor allem für die dort beworbenen Senioren- "Residenzen" - völlig unrealistisch ist.

Jedenfalls in Wiesbaden fangen die Monatspreise sowohl der AWO- Pflegeheime wie auch der von EVIM bei etwa 2.800 bis 3.000.- Euro an. Mit solch fast schon unlauterer Werbung kann man viel kaputt machen.
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Wenn man dann mal selbst einen Enblick bekommt . . . .

zerfetzte Tischdecken in einem angeblich edlen Senioren-Stift in unserer Nähe

Und als unmittelbar Beteiligtem öffnen sich auf einmal die Augen, was da alles schief läuft und vor allem, wie kränkend und negativ sich das alles auf die Senioren auswirken kann.

Und das geht dann bis zur totalen Verweigerung, tiefer Depression und apathischer Suizidsucht.
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Die Vorgeschichte der Einblicke

Seit Mitte März 2016 versuche ich, einen kranken Freund (62) so zu betreuen, wie ich es mir idealerweise vorstelle. Und bei dieser Betreuung habe ich abseits der gerichtlichen Bestellung / Beauftragung in die geistigen Hinterzimmer einer Schlaganfall-Rehabilitation sehen können. Die Einblicke waren teilweise sehr positiv, auf der anderen Seite aber fast erschreckend.

Die Kurzschilderung hier nochmal (hier steht es ganz ausführlich) :

  • Schlaganfall Mitte Februar 2016 - halbseitig gelähmt,
  • Verlegung in die Rehaklinik Mitte März. Die inoffizielle (Entlassungs-) Diagnose in der Neurologischen Klinik Mitte März 2016 - seit über drei Wochen Wachkoma-Patient . . . Perspektive weitgehend hoffnungslos . . . . . Endstation.
  • Umzug ins Senioren-Pflegeheim Ende Juli 2016.
  • aktueller Zustand im Sept 2016 : Sprechen = hervorragend, Denken = hervorragend, Motorik = befriedigend bis fast gut
  • und - wir lernen zur Zeit, wieder auf beiden Beinen zu gehen, das eine war ja bislang gelähmt.

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Über den "abweichenden" Lebensrythmus

Warum diese obige Einleitung ? Der Patient ist es seit etwa 25 Jahren ein Spätaufsteher und Nachtmensch geworden. Also vor etwa 10 Uhr ist mit ihm nicht so viel anzufangen, ab 11 gehts los. Und vor 24.oo ging er diese 25 Jahre nicht ins Bett.

Ich nenne das einen abweichenden Lebensrythmus, der meinigem sehr ähnelt. Andere Menschen haben einen vielleicht umgekehrten Lebensrythmus, die stehen um 5.oo Morgens auf und gehen bereits um 19.oo ins Bett.

Bereits in der Wiesbadener Rehaklinik ist mir aufgefallen, daß alle Patienten in der dortigen 3. Etage morgens um 8.30 "gefüttert" wurden, egal, ob sie wach sind und/oder Appetit hatten oder nicht. Nun gut, die meisten dieser Schlaganfall-Patienten konnten sich anfänglich gar nicht wehren oder gar artikulieren. Bei vielen - wie bei meinem Patienten - kam aber Woche für Woche eine "gesunde Portion Erinnerung" aus dem alten Leben samt erfreulichem Abbau der Lähmungen zurück ins Bewußtsein und damit natürlich auch das Wissen von dem (ehemaligen) alten Lebensrythmus.
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"Besondere" Besonderheiten

So etwas traut sich nur der Betreuer - wenn es bereits eskaliert war - die "Betreuten" trauen sich nicht, etwas zu sagen.

Dort in der Rehaklinik war ich als "Betreuer" sowieso schon eine Ausnahmeerscheinung, ich kam nämlich einmal täglich zu Besuch, manchmal sogar 2 mal täglich und in Sonderfällen sogar 3 mal. (Bei anderen Patienten in dieser Station kam maximal - wenn überhaupt - einmal in der Woche ein Familienmitglied und dann auch nur zum Kurzbesuch - "aha, der lebt noch.") Das über Wochen so mitzuerleben war schon reichlich deprimierend.

Nachdem mein Patient mehrfach den Pflegern gegenüber geäußert hatte, er mag wirklich keinen Spinat (aber es dennoch immer wieder welchen gab) - habe ich einen großen DIN A4 Zettel verfaßt mit dem Kontext, mein Patient "Herr ...." kotzt seit seinem 3 Lebensjahr Spinat und Grünkohl, man möge bitte keinen Spinat mehr vorsetzen. Erst das hatte dazu geführt (vielleicht nach dem 5 Mittagessen mit !! Spinat), daß dieser grüne oft unansehnliche Haufen "Gemüse" von seinem Plastikgeschirr verbannt wurde. Und das war schon die Premium-Pflegestation.

Ein paar andere Eigenarten mögen dort klinik-spezifisch unabänderlich sein, weil dort "fast tote" Patienten mit schnell genesenden Patienten zusammen betreut werden müssen. Beide Gruppen sind aber total pflegebedürftig und können im günstigsten Fall im Rollstuhl gefahren werden, also nicht selbst rollern. In der Klinik ist das strikte Einhalten von "Wecken um 7.00 Uhr", Waschen und Füttern bis 8.30, Mittagessen um Punkt 12.oo und Abendessen um Punkt 18.oo vielleicht der knappen Personaldecke geschuldet. Eine zeitliche Rücksicht auf den Patienten hatte ich die ganze Zeit vermisst.
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Steht da nicht etwas von Menschenwürde im Grundgesetz ?

Dann kam im Juli 2016 der Umzug ins Seniorenheim oder auch Pflegeheim oder Altenheim und dort ist es aus meiner Sicht jetzt ein großes Problem mit diesen festen Zeit-Strukturen. Der neu angekommene Gast (oder Patient ?), es sind ja alles "zahlende" Gäste, hatte ja mal einen ihm angenehmen und eingelebten Lebensrythmus gelebt - und jetzt wird er quasi "vergewaltigt".

Die frustrierte Aussage eines Heimbewohners, es sei ja sowieso alternativlos und insbesondere dieser Satz - "Man gewöhnt sich halt an alles." - ist aus meiner Sicht schlimm, ganz schlimm. Soetwas hört man eigentlich nur aus dem Gefängnis oder aus sonstigen Zwangs-Lagern einer vermeintlich vergangen Zeit oder aus anderen sogenannten "Anstalten", in denen "man(n)" (also eigentlich "niemand") bestimmt nicht freiwillig lebt.
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Und dann noch : nur nicht beschweren, das ist/sei gefährlich

Dazu kommt die langsam aufkommende Angst, mit "besonderen Wünschen" oder gar Kritik oder - noch schlimmer - mit Beschwerden jemanden von den Pflegern/Pflegerinnen und/oder Schwestern zu verärgern (eigentlich zu überfordern), man sei ja auf sie angewiesen.

Also nur nicht meckern oder gar aufmüpfen. So wird mancher ganz simple Wunsch unterdrückt und nicht mehr geäußert und als Frust in sich hineingefressen. Und das ist kein überzogenes Hirngespinst eines überkritischen rot und grün angehauchten Betrachters (ich bin weder rot noch grün noch braun angehaucht, eher kohlrabenschwarz und vor allem überhaupt NICHT religiös). Das ist die knallharte Realität im Jahr 2016 hier in Wiesbaden. Die Bewohner haben oder bekommen Angstgefühle.

Jetzt hatte es mich getroffen, mich als (vom Betreuungsgericht amtlich bestellten) Gesundheits- Betreuer. Vermutlich bin ich der Verwaltungs-Leitung auf den Schlips getreten, als ich jetzt - nach langem geduldigen Stillhalten - zum zweiten Male an einem Donnerstag Mittag oder Abend eine völlig verdreckte Tischdecke dort auf den Schreibtisch der Heimleitung gelegt hatte, mit der Bitte, die doch jetzt endlich mal auszutauschen. Die sei inzwischen seit Monatg so versifft und sie würde eben nicht ausgetauscht. Und der Gast im Restaurant (bzw. Speisesaal oder der Kantine oder dem Essensaal) würde sich bei Tisch ekeln. Es war aber in den 12 Wochen dort im Heim bereits das fünfte oder sechste Mal, daß nach mehr als 3 Tagen solch eine mit großen ganz deutlich suchtbaren Kaffeeflecken und bunter Marmelade ganz deutlich versiffte Tischdecke nicht ausgetauscht wurde.

Der Kommentar war, ich solle mich etwas zurückhalten. Und das in einem der teueren Häuser in Wiesbaden. Ich jedenfalls war sichtlich verblüfft über diese Reaktion und kann jetzt die vielen negativen Kommentare in den diversen Altersheim-Foren verstehen. Die sind also gar nicht so weit her geholt oder "völlig" übertrieben, wie ich bislang dachte.
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Das Thema ist überhaupt nicht neu - in 1972 im ZDF

In den Unterlagen des Autors Günter Bartosch hatte ich diese Zeitungsnotiz vom 5. April 1972 gefunden. Dort wird eine ZDF Sendung angekündigt, bei der diese probleme von Schauspielern nachgespielt worden sind.

Das Thema Altenheim und Altenpflege ist also gar nicht so neu, wie es von unseren populistischen Politikern immer (oder meist) dargestellt wird.

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Das müssen !!! Sie sehen : Ein super gut gemachter Film . . . .
geplant als Satire - "Sein letztes Rennen", aber leider Realität !

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  • Und aus dieser Erfahrung heraus kann ich jedem Leser den hervorragend zutreffenden Film von Dieter Hallervorden nur wärmstens empfehlen : "Sein letztes Rennen". Sie bekommen von "Tränen in den Augen" bis "große Freude" alles hautnah und absolut realitätsnah mit. Hallervorden zeigt sich von einer gänzlich unbekannten Seite als hervorragender Schauspieler, wie Sie ihn noch nie erlebt haben. - und glauben Sie mir - Sie werden diesen Film nicht mehr vergessen.

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Dies hier ist aber erstmal nur eine "Teil-Einsicht" in solche Strukturen

Da ich bislang - also vor 2016 - noch nie Einblicke in solche "Pflege"-einrichtungen bekommen hatte, ist diese - meine - Empfindung erstmal subjektiv und nur der Aspekt eines Aussenstehenden.

  • Ich verweise gleich mal auf ein aktuelles Buch mit dem Titel "Restlaufzeit", dessen mediale Vorankündigung ich als Podcast im April 2015 aus unserem HR2 Kultur herunter geladen hatte - also als MP3 erhalten hatte. Suchen Sie nach dem Buch-Autor Hajo Schumacher. Es lohnt sich.


ps: Das Ganze ist jeweils unter http://www.hr-online.de/website/radio/hr2 zu finden, dieser Beitrag ganz gezielt herunter zu laden hier : http://mp3.podcast.hr-online.de/_hr2_doppelkopf.mp3. (geprüft im Sept. 2016).
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"Lebendig begraben" - eine weitere aufrüttelnde Einsicht

Wir schreiben Dezember 2016 - Seit etwa 2 Jahren suchte ich den Aufenthaltsort eines damaligen nahezu gleichaltrigen Freundes aus der Hifi- und Audio- Welt - hier aus Wiesbaden. Bei den diversen Meldeämtern und Stellen rund um das Rhein Main Gebiet wurde mir gesagt, daß Adressen aus Wohn- und Pflege-Heimen und -Einrichtungen nicht herausgegeben werden dürfen. Man müsse sich qualifizieren mit bestimmten Informationen, wie z.B. dem Geburtsdatum, die mit den hinterlegten Daten übereinstimmen müssen.

Das mag ja aus irgendwelchen Gründen aus negativer Erfahrung mit verwandten Erbschleichern oder windigen Viagra- oder Treppenlift-Verkäufern durchaus richtig sein, doch bei genauer Betrachtung hat das fatale Auswirkungen auf den dort lebenden Bewohner, der selbst nicht mehr agieren kann.

Kommt also eine Person mit oder ohne eigenem Zutun ins Altenheim oder Pflegeheim, weil sich keiner mehr drum kümmern kann oder möchte, ist sie/er von der Bildfläche verschwunden, bis sie/er stirbt. Jeglicher Kontakt von Draußen nach Drinnen ist unterbrochen, wenn der Bewohner diesen Kontakt nicht mehr selbst pflegen kann, und das scheinbar endgültig.
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Hier müsste die Gesetzeslage nachgebessert werden.

Die Angst, lebendig begraben zu werden, ist schon groß. Durch den fast täglichen Besuch eines Altenheims, dieses hier nennt sich sogar Seniorenstift (mit einem Dr. vorne dran), habe ich Zuhören gelernt. Die dort lebenden Menschen machen sich eine Menge Sorgen, wenn die Besuchsfrequenz von Angehörigen und Freunden immer weiter abnimmt. Irgendwann kommt "ein Besucher" nur noch an Weihnachten oder zu Ostern und dann auch nicht mehr.
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Und so hatten sich die Allermeisten ihren Lebensabend wirklich nicht vorgestellt. Ich übrigens auch nicht.
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Ist das der Spiegel unserer Gesellschaft von Heute mit der Perspektive von Morgen ?
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